Ein ganz schöner Text, lesenswert, wie ich finde...vorallem unser Weihnachtsmann sollte ihn sich mal antun. :]
Wer fürs Alter spart, vergeudet knausernd seine Jugend.
Mitten im Leben sind wir vom Alter umgeben und von der Sorge darum umzingelt.
Die vermeintlich besten Jahre haben noch nicht einmal begonnen, da sollen wir
schon an ihr Ende denken und Vorsorge treffen. "Sie haben sicherlich noch viel vor.
Geben Sie Jetzt den Anstoß", wirbt eine große Bank, unsicher über die Rechtschreibung
der Gegenwart, für ein Wohlleben in der Zukunft. Vom Verzicht, den das Hier und Jetzt
bedeutet, redet sie nur im Kleingedruckten. Keine Ruhe hat man vor diesen Priestern eines
marktgesättigten Himmelreiches jenseits der sechzig. Man kann gar nicht jung genug sein,
um nicht von den Vorsorge-Imperien ans Alter erinnert zu werden.
Kaum hat man von der Tante die ersten Groschen für ein Eis bekommen, raunen sie voll
heuchlerischer Sorge um die Zukunft: Gib uns ein wenig davon, wir machen mehr daraus
für später. Daß es dann aber statt zwei Kugeln Eis nur eine geben kann, sagen sie nicht.
Angetrieben von der kollektiven Hysterie, ohne eine Menge Geld sei das Alter doppelt so
schwer zu ertragen, deponiert schon die Jugend ihre Kröten auf der Bank und zieht sie mit
Jahrzehnte laufenden Verträgen aus dem Verkehr. Ohne Murren üben die, die doch sonst
so rebellisch sind, den Verzicht. Das Versprechen, sich später etwas leisten zu können,
macht die Entsagung heute scheinbar leicht.
Eine Art Gegenwartsamnesie breitet sich aus, wenn schon 25jährige Lebensversicherungen
abschließen, die irgendwann am Ende des ersten Drittels des nächsten Jahrhunderts fällig
sind. Die Ideologie der Altersvorsorge ist die verschlagenste Form der
Revolutionsunterdrückung. Gut denkbar, daß eine Bank oder Lebensversicherung noch
Systemverachtern wie den Punks ein Teil des Erbettelten abluchst mit der Verheißung, so
könnten sie auch in dreißig Jahren noch das Chappi für ihre Hunde bezahlen. So beginnt
die Diktatur der Bedenkenträger: Sie ködert und bedroht zugleich die Jugend mit dem Alter.
Was sich als sinnvolle Planung eines langen Lebens tarnt, ist pure Lust- und
Lebensfeindlichkeit. Für eine ungewisse Zukunft, die man vielleicht nie erreicht, soll man
sich den spontanen Genuß versagen. Lebe wild und gefährlich? Von wegen! Lebe so, daß
du die Wonnen des Ersparten irgendwann einmal erreichst! Das ist der geriatrische
Imperativ. So leben ganze Generationen betulich und risikoscheu, die Rente fest im Blick.
Eine falsche Bewegung, und du riskierst deine Rücklagen! So denkt alle Welt an die Zukunft
und versetzt die Gegenwart in einen kollektiven Ruhestand.
Aus Furcht vor dem Verlust dessen, was noch gar nicht ist, werden die Jungen apathisch
wie ein Trupp Dreizehenfaultiere. Im Durchschnitt gibt der Deutsche monatlich 500 Mark
für die gesetzliche und private Altersvorsorge aus. Das reicht für einen Kurzurlaub auf
Mallorca oder für zwei Kinobesuche täglich. Dafür könnte man stets Champagner statt
Selters trinken. Dem Leben in den Schlund gucken, statt ihm Ärmelschoner anzulegen.
Was nützt das Geld für einen Bungee-Sprung in vierzig Jahren, wenn das Gummiseil nur
noch den Oberschenkelknochen aus der Pfanne des künstlichen Hüftgelenks zerrt?
Warum heute auf nur hundert Mark verzichten? Damit man sich dereinst eine Heizdecke
aus Kaschmir statt aus schnöder Wolle über das malade Gebein legen kann? Von der
ausgezahlten Lebensversicherung leistet man sich ein sündhaft teures Cabrio, das man
wegen eines altersbedingten Nackenleidens niemals offen fahren kann. Da wird gespart in
jungen Jahren, um sich im Alter die Simulation einer Jugend leisten zu können, die man
knausernd und kleingeistig vergeudet hat.
Zuletzt verfügen dann alle über das Geld, um ihren Altersstarrsinn durchzusetzen, auch
eine Form der Rache für all das Entgangene, das man auf dem Altar der Altersvorsorge
opferte. Dort liegt nicht nur Geld, sondern auch jede Menge Zeit, die man mit eloquenten
Bankangestellten und schlecht angezogenen Versicherungsvertretern über einem Wust von
Verträgen vertan hat.
Und nie wird man das Gefühl los, diesen Menschen durch seinen monatlichen Beitrag und
Verzicht ein Reihenhaus mit Jägerzaun zu finanzieren, wo sie das Leben schon jetzt
genießen, während wir auf die Auszahlung unserer Versicherung in 35 Jahren warten und
uns tausend Ängste zur Unzeit graue Haare bereiten: Was ist all das Aufgehobene dereinst
noch wert? Was, wenn Inflation, Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise alle Vorsorge zunichte
machen? Wenn smarte Angestellte den Schatz fürs Alter unter der Hand verprassen? Wird
es den Staat, die Versicherung, denen man heute seine Beiträge überweist, im Jahr 2030
überhaupt noch geben?
Da kaufe ich doch lieber jetzt meiner Angebeteten tausend rote Rosen, als mich später von
den Plastikblumengestecken in der schicken Seniorenwohnanlage daran erinnern zu lassen,
was ich als Kleinkrämer der Zukunft alles verpaßte. Lieber heute mit einem Cabrio und
Schulden in den Sonnenuntergang brausen, als sich an einem ungewissen Morgen
Fangopackungen leisten zu können.
Aber die Kinder! Die sollen es ja mal besser haben, also sorgt man eigentlich nicht für sich
selbst, sondern für den Nachwuchs. Unsinn. Nur wer nichts hat, kann sicher sein, daß ihn
die Gören nicht wegen des Geldes lieben.
Überhaupt ist die Zukunft ein allzu weites Feld, als daß man darein jetzt schon Geld
investieren sollte. Ist nicht spätestens 2010, wenn wir Stanley Kubrick glauben dürfen,
das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen? Da wird selbst der Euro von einer kosmischen
Währungsreform gefressen und Douglas Adams Vision vom intergalaktischen
Zahlungsverkehr Wirklichkeit. Dann ist nicht mal mehr der gute Name ein Zahlungsmittel,
sondern die flainianische Popelperle. Und noch schlimmer kommt es, wenn die ultimative
Milchstraßenwährung eingeführt wird: der Ningi, eine dreieckige Gummimünze von 6800
Metern Kantenlänge. Wohl dem, der dann keine Lebensversicherung zum Auszahlen hat!